Flächen - raus aus der Wand!
Ein Pendeln zwischen Malerei und Material …
(Auszug aus Katalog Funarte 2001, Günter Braunsberg MA … das Wechselspiel zwischen Fläche und Raum interessiert Marianne Stüve in ihren Flechtarbeiten aus Nylonfäden. Jede Fläche schafft Raum sobald sie in einer Wölbung die Ebene verläßt. Außerdem werden die im Raum hängenden geflochtenen Flächen von Raum durchdrungen, denn das Davor und Dahinter ist durch die Leerstellen im Flechtwerk ganz unmittelbar verbunden. Zusätzlich können einzelne Nylonfäden von der Fläche abstehen und in den Raum zeigen (vgl. die entsprechende Detailabbildung). Aber trotz all dieser starken räumlichen Bezüge läßt sich anhand der Arbeiten erahnen, daß die Künstlerin von der Malerei und nicht von der Bildhauerei herkommt. |
»Große Wand« Geflecht, 2002, Galerie Voss BD Neustadt 2002 //
Gallery Aionart Vancover 2004
Gallery Aionart Vancover 2004
Interaktive Bilddokumentation der Ausstellung »woven space« in der Galerie »Aionart«
© 2004 Milko K. Amorth (†) & © 2010 interaktivbild.de
»Trama – Geflecht« 1996,
Jagd- und Fischereimuseum, München
Jagd- und Fischereimuseum, München
Ein Musum als Schauplatz von Kunstaktionen ist nichts ungewöhnliches mehr. Hier handelt es sich jedoch um keinen Kunsttempel, sondern um das Deutsche Jagd- und Fischereimuseum. Es wird zur Bühne für ein Werk, das im Laufe von 10 Tagen entsteht, vor Ort, vor Publikum und mit ihm. Die Aktion der beiden Künstlerinnen Edith Derdyk und Marianne Stüve heißt "Trama/Geflecht" und versteht sich als prozeßhafte Vernetzung des Museums durch Kunst. Mit vielen Assoziationen zu Ort und Zeit.
Gewiß enthält auch dieses Museum Kunstwerke, doch eher in illustrativer Absicht. Nicht Kunst steht im Zentrum sondern Natur, genauer gesagt, der menschliche Eingriff in diese: Jagd und Fischerei. Als Kulturleistungen stellen sie seit Urzeiten in fast allen Teilen der Welt eine existenzielle Grundlage für die Ernährung des Menschen dar. Das Netz bildet unter den Gerätschaften, mit denen der Mensch versucht des Tieres habhaft zu werden, ein wichtiges Instrument, vor allem in der Fischerei. Nicht Waffe zum Töten, sondern Mittel zum Fang. Man wird an die biblische Metapher von Jesus erinnert, als er von den Menschenfischern spricht. So läßt sich auch eine Brücke zur ursprünglichen Funktion des Museumsgebäudes herstellen. Es war ehemals ein Sakralraum, die Augustinerkirche. Doch Netz - Vernetzung, bilden nicht zuletzt im elektronischen Zeitalter digitaler Kommunikation Kennworte, die weltweit alle Gesellschaftsbereiche durchdringen. Internet und world wide web haben unser Leben verändert, und die Entwicklung schreitet voran zu immer neuen Vernetzungen, die zugleich bestehende Strukturen erweitern, verändern, verbessern, aber auch Gewachsenes zerreißen und zerstören. |
Das "Geflecht" aber, das Derdyk und Stüve herstellen, geschieht nicht im virtuellen Raum, sondern in einem realen. Es vollzieht sich direkt zwischen zwei Menschen, die aus verschiedenen Ländern, ja Kontinenten kommen - Brasilien und Deutschland - und in Anwesenheit anderer, die schauen, Anteil nehmen, sich vielleicht beteiligen. Die Arbeit beider geschieht in Sichtweite voneinander, die Treppe, die sie trennt und zugleich verbindet, kann als Sinnbild für die geografische Distanz gelesen werden, die zwischen dem Land der nördlichen und dem Land der südlichen Halbkugel liegt.
Zum Bearbeiten Die interkulturelle Verbindung von Menschen, Ideen, Traditionen wird wörtlich genommen. Beide Künstlerinnen nähen, flechten, verknüpfen: Derdyk 2000 m langen schwarzen dünnen Nylonfaden, Stüve 2000 m weiße Perlonschnur. Beide verwenden modernes Material, bedienen sich aber einer uralten Technik, die vor allem als weibliches Erbe gilt. Stüve baut ein "Dach für den Urhirsch", das Schmuckstück des Museums. Die Künstlerin erinnert daran, daß dieses Haus nicht nur die Geschichte von Jagd und Fischerei vor Augen führt. Es dient auch der Aufgabe, über Erhalt von ökologischem Gleichgewicht und Schutz von Umwelt nachzudenken und aufzuklären. Derdyks Aktion, als "Vernähen des Raumes" definiert, in der ehemaligen Apsis der Kirche am unteren Ende des Treppenaufganges, beschwört den Geist des Gebäudes und seiner wechselvollen Geschichte. Beide Installationen, Gedankenzeichnungen im Raum, lassen Vernetzung visuell und körperhaft erfahrbar werden. Sie wahren Transparenz, zeigen Kontinuität auf. Vernetzen auf subtile Weise Imagination und Realität. Bauen Schranken zwischen Kunst und Technik ab, zwischen Ländern und Menschen. Michael Nungesser Kunsthistoriker für Lateinamerika |